Das historische Erbe
Neandertaler unter dem Schlossberg
Steinwerkzeuge und Tierknochen, die der Heimatforscher Hermann Mohn 1930 in einer Felsnische am Schlossberg fand, beweisen, dass hier schon vor 80.000 Jahren Steinzeitmenschen lebten. Die „Heidenschmiede“, wie der Fundort heute heißt, war – wenn nicht gar Unterkunft – zumindest ein Rastplatz der Neandertaler, die nachweislich im nahen Lonetal siedelten.
Die Besiedlung des Fleckens an der Brenz scheint dann ab etwa 1300 v. Chr. erfolgt zu sein. Siedlungsreste und UrnenÂfelder in Heidenheim und Schnaitheim zeugen von der nachfolgenden Urnenfelderepoche ca. 1200 bis 750 v. Chr. Auf eine keltische Besiedelung von etwa 800 bis 500 v. Chr. weisen ausgedehnte hallstattzeitliche Grabhügelfelder hin. Die Kelten beherrschten die Eisengewinnung und Schmiedekunst – wahrscheinlich waren die Siedler wegen der reichen Bohnerzvorkommen in die Gegend gekommen. Ein Teil der Grabfunde kann im Museum Schloss Hellenstein besichtigt werden.
Aquilea - das römische Heidenheim
Um etwa 100 n. Chr. errichteten die Römer, die immer nördlicher ins feindliche Germanien vorrückten, in Heidenheim ein Steinkastell. Die 5,2 Hektar große Anlage, Teil des Alb limes, beherbergte eine Reitereliteeinheit von etwa 1.000 Mann. Rund 50 Jahre lang kontrollierten sie die Albpassage durch das Brenzund Kochertal. Als der obergermanisch-raetische Limes noch einmal nordwärts korrigiert wurde, zog die Truppe in das neu erbaute Kastell Aalen. Dies bedeutete jedoch nicht das Ende der inzwischen außerhalb des Kastells gewachsenen Zivilsiedlung. „Aquileia“, wie Heidenheim damals hieß, hatte sich zu einem wichtigen Ort im Nordwesten der römischen Provinz Raetien entwickelt. Erst als die Alamannen (auch Alemannen) um 260 n. Chr. die Nordostgrenze überwanden, ging die römische Epoche Heidenheims zu Ende. Teile der römischen Bebauung sind im Römerbad-Museum zu besichtigen, des Weiteren viele wertvolle Exponate, die bei örtlichen Ausgrabungen gefunden wurden.
Zuerst ein alamannisches Dorf
Die nächsten Jahrhunderte liegen ziemlich im Dunkeln. Ein Hort aus 77 Bronzemünzen sowie Pfostenbauten lassen nur vermuten, dass sich versprengte Alamannen oder Römer vorübergehend im Schutz der Mauerreste niedergelassen hatten. Im 5. Jahrhundert dürfte an der Brenz zwischen Kastell und Totenberg ein alamannisches Dorf gegründet worden sein. Auch im Fürsamen zeigen neue Ausgrabungen Spuren einer alamannischen Besiedlung. Südlich der Brenzstraße lag im 6. Jahrhundert vermutlich eine fränkische Militärkolonie.
Beide Siedlungen wurden etwa im 8. Jahrhundert zu einem Dorf vereinigt, das erstmals urkundlich Haydenhaym genannt wurde – möglicherweise hergeleitet von den damals noch sichtbaren römischen, heidnischen Ruinen oder von dem Alamannen-Namen Haido. Die Pfarrkirche St. Peter stand auf dem TotenÂberg, der bis heute Begräbnisstätte ist.
Gründung der Stadt Heidenheim
Die Gründung der Stadt Heidenheim hängt eng mit der Erbauung von Burg Hellenstein zusammen. Die mittelalterliche Stadt entstand als Burgsiedlung und war auch in das Befestigungssystem der Wehranlage auf dem Schlossfelsen eingebunden. Die Stadtmauer, etwa zwischen 1190 und 1420 abschnittweise errichtet, umgab die Siedlung an deren nördlicher, östlicher und südlicher Seite ganz und wurde im Westen bis an den Burgfelsen herangeführt. Vier Tortürme und sechs Mauertürme sicherten die Anlage. Vor der Stadtmauer lag ein 8 m breiter und etwa 4,50 m tiefer Sohlgraben, in den bei Bedarf Wasser aus dem Stadtbach geleitet werden konnte.
Heidenheim bestand im Mittelalter hauptsächlich aus zwei in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Straßen: der Vorderen Gasse (der heutigen Hauptstraße) und der Hinteren Gasse. Während die Hintere Gasse vorwiegend Amtshäusern, Beamtenwohnungen und Schulbehausungen vorbehalten blieb, pulsierte in der Vorderen Gasse, in deren Mitte der Stadtbach floss, das Geschäftsleben: Hier wurden Märkte abgehalten, hatten Handwerker ihre Werkstätten und standen die meisten Wirtshäuser. Das nördliche Ende der Straße bildete das Obere Tor. Offiziell erhielt Heidenheim das Marktrecht erst 1356 durch Kaiser Karl IV. verliehen, archäologische und literarische Quellen belegen jedoch, dass Heidenheim bereits seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts als Stadt existierte.
Wechselhaftes Geschick
Als staufischer bzw. hellensteinischer Lehensbesitz war Heidenheims Entwicklung eng mit der wechselhaften Geschichte der Burg verbunden. So ging Ende des 12. Jahrhunderts die gesamte Herrschaft Heidenheim als Mitgift an die Herren von Gundelfingen, um 1300 wurde sie an Albrecht von Rechberg verpfändet. Unter den Helfensteinern (seit 1351) kam das Besitztum 1448 bis 1450 dann erstmals zur Grafschaft Württemberg, wurde an Bayern verkauft, gehörte von 1504 bis 1519 wiederum zu Württemberg, von 1521 bis 1536 zu Ulm und blieb danach – von einer nochmaligen bayerischen Episode während des Dreißigjährigen Krieges abgesehen – endgültig württembergisch. In dieser Zeit fasste auch die Reformation im Brenztal Fuß.
Herzog Friedrich I. (1593 -1608), der die Burg zum repräsentativen Schloss hatte umbauen lassen, nahm die Bezeichnung „Herr zu Heidenheim“ in seine Titulatur auf. Die Stadt bestand damals aus etwa 70 Häusern, zwischen 1602 und 1604 kamen die ersten Häuser vor dem Unteren Tor, die Webersiedlung „im Flügel“, dazu. Herzog Eberhard Ludwig fügte 1707 den Heidenkopf, das Heidenheimer Stadtwappen, seinem Wappen hinzu.
Herzog Ulrich von Württemberg hatte Heidenheim 1511 das Recht zum Abbau von Bohn- und Stuferzen sowie zur Errichtung von Eisenschmieden verliehen. Um 1630 wurde der erste Heidenheimer Hochofen erbaut, aber der Dreißigjährige Krieg setzte dem Aufschwung der Stadt ein Ende. Die Bewohnerzahl schrumpfte von etwa 1.000 auf die Hälfte. Die Eisenverhüttung musste 1819 wegen der Konkurrenz aus Wasseralfingen und dem Rheinland eingestellt werden. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte jedoch das metallverarbeitende Gewerbe dank schwäbischer Tüftler wie Johann Matthäus Voith einen unaufhaltsamen Aufstieg
Das schwäbische Manchester
Und noch ein Industriezweig trug zu einem enormen Aufschwung bei – die Textilherstellung. Die Grundlage für die Leinwandherstellung bildete der im Brenztal und auf der östlichen Alb angebaute Flachs. Seine Verarbeitung bis zur fertigen Leinwand erschloss zahlreiche Erwerbsquellen wie die Hausweberei, die Garnsiederei, die Färberei und den Leinwandhandel.
Ab dem 19. Jahrhundert ebnete importierte Baumwolle der fabrikmäßigen Textilherstellung den Weg. Die ersten mechanischen Webstühle in Deutschland standen in der 1823 gegründeten Fabrik von Johann Gottlieb Meebold. Unternehmer wie Zoeppritz, Neunhoeffer oder Ploucquet folgten seinem Beispiel, sodass bald vom „schwäbischen Manchester“ gesprochen wurde. Die Meebold’sche Firma wurde 1856 in die „Württembergische Cattunmanufactur Heidenheim/Brenz“ (WCM) umgewandelt, die sich zu einer der bedeutendsten Stoffdruckereien Württembergs entwickelte und um 1900 über 1.000 Mitarbeiter zählte G H49. Zoeppritz galt bald als führender Wolldecken- und Hausschuhhersteller in Europa. Paul Hartmann gründete 1867 einen Textilveredelungsbetrieb und stellte ab 1873 medizinische Watte aus entfetteter Baumwolle her.
Bis in das 16. Jahrhundert lässt sich auch die hiesige Papierherstellung zurückverfolgen: 1530 errichtete die Stadt eine Papiermühle an der Brenz; 1539 wurde hier Papier mit dem seit 1486 nachgewiesenen Heidenheimer Stadtwappen produziert. Von Friedrich Keller erwarb Heinrich Voelter jun. 1846 dessen noch unvollkommene Erfindung des Holzschliffs, und es gelang ihm in Zusammenarbeit mit Johann Matthäus Voith, die erste brauchbare Holzschleifmaschine zu konstruieren – Grundlage für die führende Position von Voith als weltgrößtem Papiermaschinenhersteller.
Auf dem Weg in die Zukunft
Einen zusätzlichen Impuls für die Entwicklung Heidenheims brachte die 1864 eröffnete Eisenbahnstrecke nach Aalen. 1910 wurde der nördliche Vorort Schnaitheim, 1937 das südlich gelegene Mergelstetten eingemeindet. Den 2. Weltkrieg überstand die Stadt fast unbeschadet.
Danach ließ die Zuwanderung die Einwohnerzahl schnell steigen. Eine Folge davon war der Bauboom in den Jahren 1950 bis 1960. Bis 1980 entstanden Bauten wie das Waldbad, das Werkgymnasium, das neue Rathaus und das Krankenhaus auf dem Schlossberg. 1987 erhielt Heidenheim mit der A 7 endlich Anschluss an das deutsche Autobahnnetz. Die Stadt, in der sich zu den etablierten Firmen immer mehr neue große Betriebe gesellt hatten, entwickelte sich zum Wirtschaftszentrum Ostwürttembergs, weshalb auch die Industrie- und Handelskammer Ostwürttemberg hier ihren Sitz hat.
Die Sanierung der Innenstadt begann bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren, die meisten Investitionen erfolgten jedoch nach 2000. Der Bau des Einkaufszentrums Schlossarkaden , die Etablierung der Landesgartenschau 2006 an der Brenz, die Neugestaltung vieler Straßen und Plätze sowie die Aufwertung einiger Wohngebiete, wie z. B. der Voith-Siedlung, im Rahmen des Konzeptes der „Sozialen Stadt" veränderten Heidenheim nachhaltig zu einer liebens- und lebenswerten Stadt.